„Geheimtreffen” zeigen enge Verflechtungen in der extrem rechten Szene
Datum: 01.02.2024
Kategorie: News
Weitere Recherchen über das „Geheimtreffen“ von Potsdam zeigen die engen Verflechtungen innerhalb der extremen Rechten und legen Verbindungen bis nach Bayern offen. Neben AfD-Politiker:innen, Rechtsextremen und Unternehmer:innen waren mehrere Personen dabei, die aus dem Freistaat heraus aktiv waren oder noch sind. Die Recherchen mehrerer Medien und der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Bayern verdeutlichen, wie weit die Vernetzung reicht. Das zeigt nicht zuletzt das „Geheimtreffen“ in Augsburg, das zwei Wochen vor dem Treffen in Potsdam stattfand – auch mit Martin Sellner, dem „Vordenker“ der „Identitären Bewegung“.
Gernot Mörig – extrem rechter Influencer der alten Schule
Er bezeichnet sich selbst als „alleiniger Veranstalter“ des Potsdamer Treffens: Gernot Mörig, ein ehemaliger Zahnarzt aus Düsseldorf. Mörig bewegt sich schon seit Jahrzehnten in der extrem rechten Szene und gilt als Oberhaupt einer völkischen Großfamilie. Er wohnt inzwischen wohl in der Nähe von Prien am Chiemsee in Oberbayern, wie das „Oberbayerische Volksblatt“ (kostenpflichtiger Artikel) schreibt. In Potsdam soll er zusammen mit seiner Frau Astrid Geld für die „Remigrations“-Pläne gesammelt haben.
Schon in den 1970er Jahren war er Bundesführer des „Bunds Heimattreuer Jugend (BHJ)“. Aus dem BHJ ging später die „Heimattreue Deutsche Jugend (HDJ)“ hervor – ein rechtsextremer Verein, den das Bundesinnenministerium 2009 verbot. Die Universität Düsseldorf führte Mörig jahrelang als Dozenten für Zahnmedizin. Dann entzog sie ihm den Lehrauftrag, offenbar weil Studierende auf seine völkische Einstellung hingewiesen hatten.
Das Ehepaar Mörig und seine vier Kinder sind scheinbar alle in der extremen Rechten verwurzelt. Die drei Töchter haben alle entsprechend geheiratet: Ihre Ehemänner haben Verbindungen zur „Identitären Bewegung“, zu einschlägigen Burschenschaften oder zur AfD. Auch der Sohn der Mörigs engagierte sich in der „Identitären Bewegung“ und in der verschwörungsideologischen Szene – vor allem gegen die Corona-Politik. Die Töchter selbst sind ebenfalls mit entsprechenden Äußerungen oder einschlägigen Aktivitäten aufgefallen.
Christoph Hofer – der ehemalige Hoffnungsträger der bayerischen NPD
Ein weiteres Beispiel für die Verflechtungen ist der IT-Unternehmer Christoph Hofer aus Thüringen: Wie Recherchen von „Netzpolitik.org“ und „Correctiv“ zeigen, nahm er an dem Treffen in Potsdam teil. Er betreibt eine Agentur für E-Commerce-Lösungen und beteiligt sich an mehreren Online-Shops. Mit einer weiteren Firma hat er vor wenigen Jahren einen vom Thüringer Wirtschaftsministerium und der EU geförderten Gründerpreis erhalten. Das Ministerium prüft jetzt, wie die Preisvergabe rückgängig gemacht werden kann.
Da Hofer in Potsdam dabei war, ist er offenbar nach wie vor in der extremen Rechten verwurzelt – auch ohne die Mitgliedschaft in einer einschlägigen Partei. Wie die Publikation „Neonazismus in Niederbayern“ der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus 2014 darlegt, war er damals in Bayern sehr aktiv. Dann verschwand er von der Bildfläche. Schon vor zehn Jahren stand Hofer nicht gerne in der Öffentlichkeit, weil er als Geschäftsführer einer Werbeagentur offenbar seinen unternehmerischen Ruf schützen wollte.
Hofer galt damals als Hoffnungsträger der NPD, die sich in mittlerweile in „Die Heimat“ umbenannt hat. Er wohnte in Mitterskirchen und war niederbayerischer NPD-Bezirksvorsitzender. Im Jahr 2008 kandidierte Hofer für den Landtag. „Netzpolitik.org“ und „Correctiv“ sprechen davon, dass er noch bis mindestens 2015 in der Partei aktiv war.
Außerdem war Hofer Vorsitzender des Vereins „Midgard“ mit Sitz im oberbayerischen Traunstein, der das mittlerweile eingestellte rechtsextremistische Magazin „Umwelt & Aktiv“ herausgab. Bei der Zeitschrift, die sich vordergründig mit Umwelt-Themen beschäftigt, war Hofer Herausgeber und „Schriftleiter“. „Schriftleiter“ ist eine veraltete, besonders im Nationalsozialismus gebräuchliche Bezeichnung für Redakteur.
Hofers letzter bekannter Auftritt vor dem Treffen in Potsdam war wohl eine „Grenzschutz-Konferenz“ in Garmisch-Partenkirchen, die im Jahr 2018 stattfand. Organisiert hatte die Veranstaltung das Magazin „Compact“ von Jürgen Elsässer. Es gilt als Sprachrohr der Neuen Rechten, in der Elsässer ein zentraler Akteur ist.
Tim Krause – ehemaliger AfD-Kandidat für die OB-Wahl in Deggendorf
Der AfD-Politiker Tim Krause ist ein weiteres Beispiel. Wie die „Passauer Neue Presse“ (kostenpflichtiger Artikel) berichtet, war auch er in Potsdam dabei – als Privatperson, wie er der Zeitung sagte. Der gebürtige Franke hatte seinen Wohnsitz mehrere Wochen im niederbayerischen Deggendorf, weil Krause bei der Kommunalwahl 2020 für die AfD als Oberbürgermeister kandidierte. Nach der Wahl, bei der er 5,45 Prozent der Stimmen bekam, wurde es still um ihn.
Vor der letzten Bundestagswahl erschien Krause wieder auf der Bildfläche – dieses Mal in Potsdam. Dort wollte er für die AfD in den Bundestag und trat in einem Wahlkreis gegen den heutige Bundeskanzler Olaf Scholz und die heutige Außenministerin Annalena Baerbock an. Krause zog nicht ins Parlament ein – heute ist er stellvertretender Kreisvorsitzender der Potsdamer AfD und Pressesprecher der AfD-Fraktion im Landtag von Brandenburg.
Ein weiteres „Geheimtreffen“ in Augsburg
Zwei Wochen vor dem Treffen in Potsdam gab es eine ähnliche Veranstaltung in Bayern. Das hat die „Augsburger Allgemeine“ aufgedeckt. Im schwäbischen Dasing soll der Österreicher Martin Sellner von der „Identitären Bewegung“ auch schon über „Remigration“ gesprochen haben. Anwesend waren auch zwei AfD-Landtagsabgeordnete: Daniel Halemba und Josef Schmid. Die Fraktion hat bestätigt, dass zwei Abgeordnete „persönlich ohne Auftrag von Fraktion oder deren Wissen“ dabei waren, nannte aber keine Namen.
Die beiden Abgeordneten sind keine Unbekannten. Halemba ist Mitglied in einer Burschenschaft, die der Verfassungsschutz beobachtet. Gegen ihn ermittelt die Staatsanwaltschaft unter anderem wegen Volksverhetzung. Schmid kam erst kürzlich m Zusammenhang mit einen Vorfall am Rande des bayerischen AfD-Parteitags in Greding in die Schlagzeilen. Dort war er Teil einer Gruppe, die in einer Diskothek rassistische Parolen grölte.